Holger Schwenke : SYNCHRON, Gedichte, Berlin 1994, Graphiken : Phillipe Kessel, Brüssel 1994. Simili Berlin/Brüssel.
SYNCHRON
>> SYNCHRON : Der Originalband enthält 30 Gedichte von Holger Schwenke und 10 Graphiken von Philippe Kessel. Hier ausgestellt wird eine Auswahl von 15 Gedichen und zwei Graphiken.
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EXPEDITION
kabbalistisch
Geheime Reise
zum Alphabet.
Zwischen den Zeiten,
von Anfang zu Anfang,
unterm ratlosen Dunkel
entfernter Feuer,
in einer schwatzhaften
Nacht: zu wenig Bücher
Am Anfang scheinen die Buchstaben
im Gepäck.
nur schwarz und schwer zu sein.
NACHTS
Stundenlang dem Blindsein der
Bäume verwandt, bevor eine
Sonne sich aufstellt
und unsere
Zeit sich wieder zu den
Während endloser Fahrten : Träume
Gesten kehrt.
von steinernen Tafeln am Ziel.
ANKÜNDIGUNG
In den Liedern gibt es
ganze Sätze, wir
sammeln sie
wie Steine auf
Nachrichten und Bilder treiben sinnlos
der Reise.
wie weiße Segel auf der See.
HUESCA
Der Himmel zeigt
gerade noch
das Ende eines Kampfes
zwischen Sternen. Wie ein
Vergrößerungsglas
zeigt diese Nacht
ein hartes Ende :
die letzte Landschaft
Ausgestreckt unter den Sonnen der Nacht
in Europa.
am Himmel Gleichungen und Gleiches.
DER TON
Der Musik näher
als der Stimme,
und darüber ein Fels,
eingraviert
die Noten, härter,
und fast übersetzt in
Sprachen, die nach der
Das gleiche Haus erhöht und um-
Sprache kommen.
gekehrt, ein Dach auf ebener Erde.
CHILDREN OF NATURE
Weit im Hinterland
tragen Fernen neues
Leben zurück auf flache
grüne Wüsten,
von Ruinen auf-
gesagter Gegenwart
zur windigen Insel
der Seelen der Nacht
Und dann der Tod : ein Zerschellen
der Natur.
an den hohen Klippen der Heimat.
TROIS POINTS
Ardennen
In diesen westlichen Wäldern
ging unter einem diesigen
Himmel ( den man auf den
Fotos nicht sieht ) die letzte
Schlacht gegen die Schrift
dieser Zeit verloren. -
Nur die Unsrigen bleiben
Im Heimatmuseum des Krieges starren
endgültig dort zurück.
die Verlierer wie ein ausgestorbenes Volk.
ECHO
Echos Ende ist
Wiederholung. Augen
sind das Thema
der Sicht.
Bedeutungsloses läßt sich
sagen vom täglichen Wasser
Auch Erinnerungen sterben aus,
und vom Abendlicht.
ähnlich wie der Beruf des Leiterhändlers.
20. JUNI 1993
Ein Mann mit
gesenktem Blick.
Und vorher war
die ganze Welt.
Hier, nach der Enthüllung der einen,
fast fertig.
folgt die andere Seite
FRANZ ROSENZWEIG
Stern der Erlösung
Allmählich wachsen Kirschen.
Alte Männer warten
neben steinverschlossenen
Türen. Inmitten einer
überdeutlichen
Grammatik
spiegelt sich die rasende
Abwesenheit im rauhen
Die nächsten Götter werden, wenn sie kommen,
Glanz entfernteren Daseins.
wie Blinde nach den Menschen fragen.
HÖLDERLIN
Die häusliche Sprache
wohnt im Exil.
Ein linder Gedanke.
Der Dichter kündigt
Er geht wie das Lied
sich an und kehrt zurück.
in atemlosen Träumen.
MEERSTÜCK
Ernst Meister :
"Wir leben
von den Entfernungen."
Versuch
noch einmal
(am Meer)
mit Meeresblau
die Eroberung
Nur die See ist da, sehr weit und
der Gegenwart.
schwankend wie sichtbare Zeit.
ARENA
Der Stier geht
bis ans Ende,
wenn er weiß,
was Farbe ist und
Blut. Wenn
er uns sieht und
Wir schenken ihm jetzt unsern
alles glaubt.
eigenen, ungeglaubten Tod.
WINTER
Unterm schuldlosen Mond
Stare schweigen,
und Drosseln weinen
aufgebracht
im sandigen Bett. -
Später entwerfen
wir zwischen Küssen
Es ist nachts die Luft, die den
einen Weg.
Rhytmus des Atems bestimmt.
DANN UND WANN
Nach der Schönheit
die Dinge.
Nach dem Sinn
die Zeit.
Nach quellenden Tagen
Das heißt es also ,Sichtbarsein´ :
ein Ende.
von deinen Augen lesen was ist.
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