semper et ubique - Das Jahr im Briefwechsel

Tägliche Zeilen aus Berlin und New York

Das Jahr 1999 ist angebrochen. Es wird hingehn, wie alle anderen Jahre, Tag für Tag. Der große blaue Globus rollt die Zeit auf seine Umlaufbahn. Man schläft, man arbeitet, man blickt auf, man hört etwas, man sieht etwas. Man vergißt es und geht weiter. Oder man schreibt es auf.

Jan Ehling tut das in New York und Harald Settele tut es in Berlin.

Dieser Briefwechsel, aus kurzen, schnipselartigen Mitteilungen aus New York nach Berlin und aus Berlin nach New York, soll aus jedem Tag des Jahres ein paar Ausschnitte bewahren. Die mit ihm allmählich wachsende Sammlung aus diesen kleinen Beobachtungen und Episoden soll zuletzt eine Chronik dieses Jahres sein, dem letzten seines Jahrtausends.


                                                                                        Januar/Februar 1999     

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Briefe vom 27.01.99 bis 28.02.99 :


Januar   :   27  28  29  30  31


Februar :   01  02  03  04  05  06  07  08  09  10  11  12  13  14  15

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Nacht vom 27.01.99 auf 28.01.99 der Mond scheint an einer zerissenen Wolkenkante vorbei in mein Fenster

Lieber Jan,
ging durch einen pechschwarzen Abend unter den schlecht leuchtenden
Laternen der Graefestraße Kohlen holen, wie in einem Stummfilm aus den
frühen 20er Jahren, wo die Schauspieler stark expressionischtisch
geschminkt sind und aus fürchterlichen Augen starren. Die Kohlenfrau
berlinert stark und das unterstrich die kleine Zeitreise ins Schwarz-Weiße
perfekt. Laß also dies den Anfang unseres Briefwechsels sein, eine gute
Einstimmung: das alte, kohlengeschwärzte Berlin. Doch es ist noch immer
nicht so kalt, wie es sein müßte im Januar, noch über dem Gefrierpunkt. Man
verspricht uns Schnee...
Dein Harald

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27.1.99
Lieber Harald,
einverstanden. Gerade ging hier ein ziemlicher Regenschauer runter, aus
heiterem Himmel. Muss mich noch kurz ueber Deine Neuerungen im blueglobe
erkundingen, und noch friends@blueglobe.de checken. Dann gehts ins Bett.
-- Mein Taxifahrer auf der Heimfahrt sprach nur franzoesisch. Das sehr
warme, weiche und langsame Franzoesisch das man auf Haiti spricht.

Koh(o)len Jan

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28.01.99

Lieber Jan,

die schwarzen Aufbauten auf den Dächern unter einem von der Stadt angestrahlten Himmel : die Nacht findet zwischen den Häusern statt, der Himmel kennt nur die Dämmerung. Höre im Radio : Volvo verkauft die Automobilfertigung an Ford. Nach einem warmen Januar, wo wir sogar einmal im Freien am Ufer Kaffee getrunken haben, wird es jetzt jede Stunde spürbar kälter.

Harald

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Brooklyn, 28.1.99

Lieber Harald,

kann leider nicht meine Nachrichten kontrollieren da zu dieser Stunde neuerdings die Leitung belegt ist. Kann mit einem Sturm, der hier vor ein paar Tagen war zusammenhaengen, oder einfach an der wachsenden Popularitaet des Internets. -- Habe heute einen Spaziergang in Queens unternommen, nur halbbelebte neuere Lagerhallen, und verrottet alte. Auf der anderen Seite des Hudsons die Wolkenkratzer und Strassenschluchten Manhattens, alles in grauen Wolken verhangen. Habe ein paar Photos gemacht. Dann zur UBahn gelaufen und per FTrain zurueck nach Manhatten. Supper Muschelsuppe in der Oyster Bar: $ 4.87 (plus $ 1) tip. Phabelhaft. Hier ist alles vernebelt und grau. Werde nochmal nach draussen, moechte Wasser kaufen: mir ist das Leitungswasser das ich sonst immer getrunken habe nicht mehr geheuer: nach ein/zwei Wochen unberuehrt im Kuehlschrank, fand ich algenartige Sedimente im Wasser...

Liebe Gruesse Dein Jan

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29.01.99

Lieber Jan,

morgens in den Wagen und bei der Fahrt : der Schnee. Doch nur für eine halbe Stunde. Erst am Abend fiel dann mehr, ein stilles Märchen, wie die Autos geräuschlos rollen und der Schritt scharf knirscht beim Gehen. In München schneite es heut viel und Karin berichtet aus St.Georgen, Schwarzwald, daß sie dort eine Stunde essen waren und danach den Wagen freischaufeln mußten. BBC meldet von irgendwelchen alpinen Veranstaltungen in Davos, daß dort mehr Schnee fällt, als in den 30 Jahren zuvor. Ich bin glücklich, liebe den Schnee und wünsch mir mehr. Eine helle Nacht begleitet mich in den schweren Schlaf nach einem schlimmen Frühdienst, wegen der Flugverspätungen nach München. Wie anders diese Nacht ist, als die letzten Nächte ohne Schnee ! Die Dächer leuchten unter einem fahlen, rötlichen Himmel. Und diese fabelhafte Stille ! Die Stadt hält den Atem an.

Dein Harald

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29.01.99

Lieber Harald,

in Kanada wird sich zum 1. April ein neuer Bundesstaat bilden, der aus den Northwestern Territories hervorgehen wird. Nunnavut, ist ungefaehr so gross wie Westeuropa, hat aber so gut wie keine Einwohner. In der neuen Hauptstadt z.B. leben gerade mal 4200 Menschen, die ueberwiegend von der Stuetze leben. Ist es da ein Wunder, dass in der Bar der Stadt, ein Mixgetraenk mit dem Namen "paralyzer" ausgeschenkt wird? Erinnert Dich das an etwas? Davon abgesehen gibt es natuerlich ein Chinesisches Restaurant und wer haette das gedacht: einen lokalen Internet Anschluss... Die New York Times hat heute einen sehr ausfuehrliche Artikel ueber die Geschehnisse im zukuenftigen Nunnavut, gedruckt, den ich auf der Fahrt zur Arbeit mit grossem Vergnuegen gelesen habe.

Fuer heute alles Gute Dein Jan

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30.01.99

Lieber Jan,

( zartblauer, Abendhimmel, nahe dem Horizont ein graubrauner Wolkenstreifen, glühendes Orange über dem Horizont, so stell ich mir die Winterabende, ( z.B. einen Aprilabend oder einen im September ) in Nunnavut vor. Wo sie alles trinken, was blind macht ( so hab ich es aus der DDR gehört, z.B. im Eimer vergohrene Brotreste). Platz zum Kotzen haben sie da oben ja wenigstens reichlich, vielleicht hält das der eine oder andere Ortsfremde dann für eine seltene Flechte auf dem Fels ? Nun, daß sie dort in der "Hauptstadt" auch Internetanschluß haben, zeigt bloß, daß das Net heut wirklich nirgends mehr außergewöhnlich ist. Die Telecom läßt verlautbaren, daß sie Deutschland zum Online Land Nr. 1 machen will, mit einem neuen 6 PF/Minute Tarif inklusive Telefon- und Netgebühren ( muß noch genehmigt werden und die Konkurrenz bangt ). =3.60DM pro Stunde, in Deutschland wär das billig. Ich denk an die Vernetzung in Nunnavut, die 638 Anschlüsse verbrauchen sicher eine Kabellänge, die von der Erde bis zum Jupiter reichen würde... Wir haben Katzenbesuch ! Beide Katzen, Besuch wie unsere, verkriechen sich ängstlich in irgendeiner Ecke. Das zoo-soziologische Experiment. Und unser erster Katzenbesuch. Leider muß ich die nächsten Tage arbeiten und kann nicht cat-watching betreiben.

Harald

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Brooklyn, 30.1.99

Lieber Harald,

(ein wunderbarer Tag. Zarter Wolkenhimmel, klare und weite Sicht, ganz leichter Dunst in der Hafen und East River Niederung). Habe gut geschlafen, im Bett gefruehstueckt und gelesen, bis um 11:00 "This American Life" gesendet wurde: Diesmal ging die 1 Stunden Sendung um die Nachkommen von einem Mann, der mit 5 verschiedenen Frauen 9 Kinder hatte, und mit jeder neuen Frau auch eine neue Phase in seinem Leben begann, bzw. einer neuen Mode folgte: zunaechst die College religioese Priester Phase, dann die Hollywood Drehbuch Phase, dann die Upper Westside Kritiker Phase, die Upstate N.Y. Hippie Phase und schliesslich zurueck in California (in den Reagen Jahren) die Born Again Christian Phase... Erzaehlt wurde die Geschichte aus der Perspektive der Kinder, von der 6ten Tochter des 1993 verstorbenen, die alle anderen Halbgeschwister interviewte. This American Life (  >> www.thislife.org) kann man auch im Internet besuchen, ueber die Show lesen, bzw. die Sendung der letzten Woche auch anhoeren. (Weisst Du, ob eine von Karins Sendungen schon ins Netz eingespielt wurde?) Ein neuer Italo in der Urban Strasse. Das hoert sich ja ganz nett an. Der weite Weg zu Zagato laesst sich da vermeiden. Wie steht es denn um den neuen Koch bei Zagato? Ist man schon dahinter gekommen, das sich seine Kochkunst in Grenzen haelt?

Bevor es hier dunkel wird moechte ich noch in den Park, eine Runde drehen. Heute Abend gehe ich mit Barbara, Jen und Dan zu einem stand-up comedian, der in der PS122 im East Village auftritt. Danach gehts was essen... Melde mich natuerlich morgen wieder. Vom Montag bis Mittwoch werde ich in Memphis sein, denke aber das das Hotel dort sicherlich Computer mit Internetanschluss hat.

Allerbeste Gruesse Dein Jan 

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31.01.99

Lieber Jan,

Wochenende und Arbeit, der Himmel - die Ehrenkompanie der Wolken, bei der Fahrt nach Hause kurz abgeschritten, doch in Gedanken abwesend. Beim Vater einer Freundin und Ehemann einer Kollegin, der mit Freunden am Freitagabend Tennis spielt, bis der dürre Geselle in den weißen Laken mit seiner Sense dazwischenfährt und den Mann auf dem Spielfeld fällt. Grundlos, nur weil es ihm eben so beliebt. Dieser Mann, kerngesund, fiel in sich zusammen und war tot. Heut früh um 5 Uhr die Nachricht. Alles macht weiter, nur in meinen Träumen beim Nachmittagsschlaf jagen wilde Gespenster im Dunkel umher. Ich finde keine weiteren Worte. Einen traurigen Gruß zu dir nach Brooklyn.

Harald

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Brooklyn, 31.1.1999 (der zweite Vollmond, blue moon, in diesem Monat, irre hell).

Lieber Harald, da heute Superbowl ist, hatte ich ueberhaupt keine Probleme mich ans Internet anzuschliessen: Alle sitzten vor den TV Geraeten. Im World Trade Center brennen verdaechtig wenig Lichter: das ist am Sonntag Abend bzw an Feiertagen eh schon der Fall, aber die Superbowl Nacht laesst doch die meisten Stockwerke ganz ohne Licht. -- Hatte eine sehr lustige und lange Nacht gestern Abend: zunaechst bin ich nachdem ich Dir geschrieben habe noch in den Park: im Dunkeln, ohne ID, eine eher unheimliche Angelegenheit, aber manchmal kann man sich eben nicht aussuchen, wann man laufen moechte: bin so selten in der Dunkelheit im Park, da ist es, wenn es mal der Fall ist eine ganz bemerkenswertes Erlebnis, zumal ein gute Meile ueberhaupt keine Strassenbeleuchtung an war. Hier geht man eher nicht in den Park, wenn es dunkel ist. Es soll nicht sicher sein. Mir fehlt das sehr: im unbeleuchteten Draussen. Die Berliner Parks, der Abend oder Nachtspaziergang in Brodowin. -- Die Jonathan Ames Show war unglaublich komisch. Moechte mehr Stand-up Comedians sehen. In den vergangen 6 Monaten, war ich in 3 Shows verschiedener Leute. Es ist eine sehr nette Sache, und bisher habe ich immer sehr gelacht. Was ich ja sehr gerne mache. Anschliessend sind wir alle essen gegangen, und dann noch im Doc Holiday gelandet. Eine Suedstaaten Bar, mit viel Country Music. Sweet Home Alabama... Set the Bar on Fire: der Song veranlasst die Bedienung, und andere weibliche Gaeste jeden Abend, und wenn es sein muss mehrmals wie verrueckt auf der Bar zu tanzen: das macht man im Sueden so, habe ich mir sagen lassen. Mal schauen, ob ich das auch in Memphis sehen werde. Bin erst gegen 4:00 ins Bett gegangen, dementspechend lange war ich dann heute morgen in den Federn.

-- Im Januar 1989 (also vor zehn Jahren) haben wir uns im ganzen 3 Mal getroffen. Zwei mal sind wir im Ya-Mas gewesen, einmal bei Zagato. Es war mein erster Monat der Teilzeitarbeit: also nur am Mitwoch, Freitag und den halben Samstag in die Arbeit. -- Moechte an jedem Monatsende an die Zeit vor 10 Jahren erinnern. -- Bedaure die tragische Nachricht.

Alles Gute, Dein Jan.

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Kreuzberg, 01.02.99

Lieber Jan,

Du bist also heut schon in Memphis, ich erinnere mich gerne an die junge Kellnerin in einem Restaurant in Tennessee, die so schön melodiös sagte: I like your accent, I hope you like mine. Und die Leute, die in der Abenddämmerung vor ihren Häusern standen und ein Feuer in einer alten Tonne als einzige Beleuchtung, in dem Tal, wo einen das Gekurbel am Lenkrad wegen der engen Kurven richtig anstrengte, so gar nicht der kerzengerade, meilenlange Highway. Wir haben heut abend den englischen Film: My name is Joe gesehen, die Handlung spielt in Glasgow und alle sprachen einen starken schottischen Akzent. Ein Film von der Art von Mona Lisa mit Bob Hoskins. Doch direkter und etwas weniger phantastisch. Die alte englische Tradition der Geschichte aus dem harten Milieu der großen Städte. Schöne Idee, immer eine Bemerkung darüber anzuschließen, was vor 10 Jahren war. Freu mich darauf ! Jan, der unermüdliche Chronist machts möglich. Ich weiß ja meist nach wenigen Tagen nicht mehr, was ich eigentlich genau wann getan hab, es wird sicher überraschend sein zu hören, was da war, denn man erinnert sich ja dann doch wieder an das Ereignis, wenn man darüber liest, man hätte nur nie mehr gewußt, wann es eigentlich stattgefunden hat.

Gruß nach Memphis Harald

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Memphis 1.2.99 (Blick hinaus auf den Mississippi).

Lieber Harald, auf dem Weg nach LaGuardia habe ich ueber Zagato und Marco nachgedacht: Was fuer ein Leben. Als er als Bedienung bei seinem Vater angefangen hat muss er ein Teenager gewesen sein. Der Ausbruchsversuch 1-2 Jahre, und seither wieder zurueck: bedienen. Wenn ich mehr als 1 Leben haette, wuerde ich vielleicht versuchen mich auf 1 Stadtteil (Kreuzberg) und 1 Beruf in der gleichen Ecke (bedienen bei Zagato) zu konzentieren. (Schwabing, und ein Leben lang in der adalbert 14, wohnen im gleichen Haus, waere auch ganz lustig...). Im Hotel (Peabody) verlangt man $20 fuer die 1/2 Stunde Computer und email Besuch. Zudem schliesst man auch schon um 19:00. Kinko's (eine Burokette) sei 2 Meilen hinaus auf Union Ave., was ich morgen vielleicht versuchen moechte, da ich noch bei Sun-Studio , gleichfalls auf Union vorbei schauen moechte.

Gruss & Kuss Dein Jan

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Berlin 02.02.99

Lieber Jan,

abendlicher, erster Besuch bei Daniela in Lichterfelde, fast an der Stadtgrenze vor Teltow, die unbeleuchteten Wohnwüsten im Süden, Autobahn Richtung Steglitz bis Ende und dann immer noch weit hinein in dieses Nirgenwo aus grauen heilen Welten. Das wüste Wohnberlin, Einkaufszenter und Autohöfe, endlose Straßen ohne Gesicht und Kontur, fast seltsam, nach dem Ankommen ein bekanntes, vertrautes und mir liebes Gesicht vorzufinden. Beim Fahren hatte ich eher das Gefühl, in der völligen Fremde zu sein. Vorstellung: ich steig aus und hab die mir noch bekannte Stadt weit hinter mir gelassen, finde Danielas Adresse nicht, versuche, wieder zurückzufinden, in bekanntere Gegenden der Stadt, aber ich fahre und fahre und fahre, und es geht immer so weiter, stundenlang, bis ich schließlich anhalte und einschlafe. Am grauen Morgen, als ich hinter dem Steuer aufwache erkundige ich mich bei Passanten. Man weißt mir Richtungen und gibt mir unverständliche, lange Wegbeschreibungen, die man sich unmöglich merken kann. Im grauen Nieselregen sieht auch alles gleich aus. Ich muß tanken. Ich geh was essen an einem Wurststand. Nach Tagen geht mir das Geld aus. Wenn ich versuche zu telefonieren höre ich immerzu nur: "Kein Anschluß unter dieser Nummer". Die Telefonbücher in den Zellen haben unter den mir bekannten Namen keinen Eintrag. Ich laß den Wagen mit leerem Tank schließlich irgendwo zurück und versuche es mit Bussen, doch die scheinen nur in dieser Häuserwüste Schlingen zu fahren, die immer wieder ineinander führen und an öden, leeren Endhaltestellen enden. Die Busse haben Nummern wie 946A-Ü, oder X777Z, und ich sehe keine Liniennummer zweimal.

Auf den Fahrplänen der Haltestellen stehen immer nur diese wirren Nummern, keine Route, keine Zeiten, keine Endpunkte der Linie werden genannt. Wenn ich Leute frage haben sie den Namen Kreuzberg nie gehört, bestätigen aber durchaus, daß wir in Berlin sind. Ich versuche es mit anderen Bezirken, doch keinen der Bezirksnamen die ich nenne scheinen sie schon einmal gehört zu haben. Sie sind durchaus hilfsbereit, mit der Scheu von Menschen, die sich einem merkwürdigen Fremdling nähern. Doch sie können mir nicht weiterhelfen... Kam glücklich zuhause an

Dein Harald

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Memphis 2.2.1999

Lieber Harald,

es tut mir leid, dass eine kurze Sendepause entstanden ist, doch bei Kinko's war keine email Verbindung herzustellen, und meine Geduld reichte nicht aus (schliesslich war es schon 20:30, nach einem langen und ermuedenden Tag) um auf den Compi-Maxe zu warten. Wir haben gut daran getan, an Memphis vorbei zu fahren: Es gibt wenig zu sehen, mit der Ausnahme von vielen oeden Parkplaetzen ueberall, gibt es wenig bemerkenswertes, vielleicht noch mein Hotel, das alt und edel aus dieser flachen Oede herausragt. Morgen Abend gehts wieder nach NY. Gegen Mitternacht landet mein Flieger. Spaetestens Donnerstag werde ich meine mails an Dich verschicken.

Semper et ubique Dein Jan!

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Mittwoch, 03.02.99

Lieber Jan,

über den Parkplatz des Flughafens Schönefeld ging ich wie in einer Gebirgswolke, die Luft voller kleiner Wasserpartikel, die kalt in meine Gesichtshaut stachen, sie aber nicht näßten. Im Wagen: wie in der Raumkapsel, in einer erträglichen Atmosphäre, aber draußen vor den Scheiben lebensfeindliche Konditionen. Abends zu Zagato: plötzlich ein lauer Abend, weiche, schwarze Luft, Gehen wie im Frühjahr. Angelo läßt einen Riesenhaufen Spaghuetti Krabben aus der Küche bringen ( eben die Menge, die man seiner Meinung nach so braucht ), schmeckte so lálá, nur eben viel zu viel. Der Niedergang ? Aus dem Radio quellen die Kommentare zu 100 Tagen Rot-Grüner Regierung. Viel Gemecker, wenig fundierte Beiträge. Wie immer man es sehen will : wenigstens ist wieder Bewegung in die Politik gekommen, man diskutiert über Ansätze, die keiner überhaupt noch für möglich gehalten hätte nach 16 Jahren Kohl. Das soll mir genügen. Warte auf deine gesammelten Briefe von deinem Memphis-Aufenthalt. Hab die digitale Kamera bekommen. Will noch etwas warten, bevor ich sie benütze.

Gruß aus nassen Tagen, Harald

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New York, 3.2.1999 klare Nacht, schon spaet

Lieber Harald,

vielen Dank fuer Deine mails! Weiter so! Das hat mir gut gefallen, heim zu kommen und Deine Nachrichten vorzufinden. Habe einen guten Tag hinter mir: gegen noon war ich fertig mit der Arbeit, und habe mich dann im Cafe vom Sun Studio erstmal zu einem Kaffee hingesetzt, und mir so den Verkehr angesehen. Spaeter gings ueber den wirklich sehr maechtigen Fluss, dann nach Graceland, wo Elvis von 1957-77 gewohnt hat, eigentlich bescheiden, und mit Eltern, ganz der Memphis Boy. War nett. Da ich noch ein paar Stunden Zeit hatte bis zum Abflug, bin ich noch mehr herum gefahren, sehr arme Ecken gibt es hier, verschwenderische Weite, verrottende Tankstellen, Warenhauser, Lumber Stores. Puenktlich um 17:00 war ich dann wieder im Hotel, um mir bei einer Tasse Kaffee eine sehr merkwuerdige Tradition anzuschauen: In dem grossen Foyer des Peabody, gibt es einen sehr huebschen Brunnen, in dem seit den 30er Jahren Enten rumschwimmen: Quack, quack. Um 17:00 verlassen die Enten auf einem ausgerollten roten Tepich den Brunnen, gehen zum Fahrstuhl, und werden auf das Dach des Hotels gefahren, wo sie die Zeit vor 11:00 und nach 17:00 verbringen. Eine sehr merkwuerdige Tradition: konnte nicht fassen, dass ich mir so nen Scheiss auch noch anschaue, aber was solls. Schon etwas ungewoehnlich, und wenn man es sieht, zieht es einen auch in seinen Bann: Ich erwischte mich z.B. bei einer Spekulation, wie ich mich, wenn ich eine Ente waere, wohl verhalten wuerde... Zeit zum Abflug: Es ging schnell, keine Probleme, und eine tolle Sicht auf die naechtliche Ostkueste: Konnte Philadelphia und Trenton ausmachen, dann ein wahnsinns Flug den Hudson rauf (von Berlin kommend ging es aehnlich toll den Hudson runter, aber bei Sonneschein), an Brooklyn und Manhattan vorbei: konnte so viele Gebaeude so deutlich ausmachen, irre so auf die Wolkenkratzer runter zu schauen, und spaeter, am Himmel ueber der Bronx, sieht man die langen Avenues in Manhattan, die Einbahnstrassen, mit ihren weissen Lichtern, bzw. roten Ruecklichtern. Toll. Der Kreis schliesst sich, beim Blick aus dem Fenster: sehe die Flieger in der Ferne nach LaGuardia rauschen, vor zwei Stunden, war ich selbst dort oben und habe hinaus geschaut. Wer haette das gedacht.

Liebe Gruesse Dein Jan

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Über den Dächern, 04.02.99

Mein Lieber,

Draußen tobt der Sturm um die Kanten, an der Nordsee erwartet man Sturmflut bis 5 Meter über normal, es ist aber nicht sehr kalt und nieselt nur vor sich hin. Auf Arbeit kamen heut zwei Techniker herein und ersetzten meinen alten Computer durch einen neuen PC, doch es gab Schwierigkeiten mit der Vernetzung und sie arbeiteten bis zu meinem Feierabend daran. So konnte ich von nach dem Mittagessen bis zum Abend nicht mehr arbeiteten, leitete wichtige Bestellungen nach Tegel um und machte Notizen, damit ich alles am Montag dann bearbeiten kann. Bin heute sehr müde, als sei eine Krankheit im Anzug. Leg mich früh schlafen und hör dem Sturm noch zu, der wirklich beeindruckende Geräusche produziert, es erinnert mich an Nächte in Vorupör, ein altes, beinah verlorenes Gefühl von kindlichem Gruseln entsteht da tief unter der Oberfläche. Hab noch immer das Gefühl, durch die viele Arbeit an BlueGlobe einen großen Abstand zwischen mir und meiner Umgebung hergestellt zu haben, der noch nicht wieder überbrückt ist. Hab heut abend etwa 2 Stunden lang meine Lieder gesungen, ( das hab ich schon sehr lange nicht mehr getan ), durch die Müdigkeit schaltete mein Kopf weit zurück in die Zeit nach 1980, das Englisch, die Entstehungszeit der Lieder, alles war ganz nahe und meine Stimme war entspannt und warm. Hätte gern gleich mit der englischen Version von BlueGlobe begonnen, doch ich war einfach zu müde. Du also wieder in New York. Morgen möchte ich dir mal eine mail auf die Arbeit schreiben, ich habe frei und bin dann hofentlich ausgeschlafen.

Harald im Sturm

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Brooklyn, 4.2.1999

Lieber Harald,

lass Dir Zeit mit den emails auf Arbeit. Wenn Du Lust hast, kannst Du es auf alle Faelle morgen mal ausprobiern. In den naechsten Wochen werde ich eher viel beschaeftigt sein, d.h. das kommende Wochenende werde ich z.B. in der Arbeit sein, und dann bin ich fuer 6 Tage in S.F., wo ich hoffe, Deine emails dort im Buero an die Arbeit geschickt zu bekommen. Aber, zunaechst bin ich einige Tage in NY. Habe einen recht schoenen Tag hinter mir, eine Sammlung "Franzoesiche Strassen und Bruecken" begutachtet, europaeische Postkarten, Strassenkarten, Landkarten, Buecher zum Thema etc., die ich in den naechsten Wochen katalogisieren werde, ueberwiegend 19th century, aber auch zahlreiches aelteres Material, in wunderbaren Einbaenden der Zeit und super Erhaltungszustand. Hast Du heute von dem Erfolg oder Misserfolg des "Znamya-2.5 Project" gehoert? Es handelt sich dabei um einen Spiegel der von der Raumstation Mir ins All gesetzt wurde, um heute Sonnenstrahlen. (Ffm 12:56 pm, Karaganda, Kazakhstan 8:12 a.m. etc. einmal um den Erdball) auf unbeleuchtete Stellen der Erde zu reflecktiern. Ein Projekt, von dem schon vor fast 20 Jahren die Rede war und von Paul Verillio beschrieben wurde... Heute ist die eigentliche Aktion keine Frontpage in der NYT mehr wert, aber immerhin habe ich ueber das Ereigniss auf Seite 3 gelesen. Mein Bester, die Augen & Kontaktlinsen werden muede, daher ein freundlicher Gruss nach Berlin!!! Hab Spass und Vergnuegen an Deinem freien Tag!!!

L&K Dein Jan

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Sturm über den Dächern, 05.02.99

Lieber Jan,

der Sturm hat die ewige Wolkenschicht aufgebrochen und wir sahen erst Streifen eines wunderschönen Nordhimmelblaus, dann hatten wir Sonne, grelle, warme Sonne, die durch den Sturm drang. Noch jetzt, kurz vor 2 Uhr nachts, rüttelt es und man hört Dinge in Scherben gehen von der Straße her. -- König Hussein hängt nur noch an den Apparaten, eine Figur, die an der Macht war, seit ich denken kann. -- Hab heut den ganzen Tag Bilder eingescannt für die Privatausstellung in der Galerie und dabei dem Sturm zugesehen. Hamburg hatte Glück: bei 4.50 m blieb die Flut stehen und ging rasch wieder zurück... Geh nun schlafen ( bevor mir hier der Himmel auf den Kopf fällt ). Einen windigen Gruß schickt

Harald

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Brooklyn, 5.2.99

Lieber Harald,

heute war ich auf einem "House call" der mich in die Carmine St. fuehrt: vor mehr als 5 Jahren, habe ich nach meiner Landung in NY dort Abends Nudeln gegessen. Heute schraeg gegenueber bei Joe's Pizza gegessen, und mir dann eine kleine Sammlung von Brecht Buechern angeschaut. Langer Spaziergang durch den Winter und das West Village, dann zurueck in die Arbeit. Abends mit Barbara zum guten Inder und dann bei Angelika 1 Film gesehen. Das Mir Projekt, von dem ich gestern geschrieben habe, hat nicht geklappt, und soll wiederholt werden. War ueberrascht, dass Hussein noch so jung ist (oder war), besonders vor dem Hintergrund, dass er ein lebenslanger Begleiter war. Hatte keine Ahnung, dass er sich hier im Land aufgehalten hat, bis ich davon hoerte, dass er ausgefolgen wird, um zuhause zu sterben. Vielen Dank fuer Deinen Newsletter. Machs Gut, und bis morgen!!!

Dein Jan

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Samstag, 06.02.99

Lieber Jan,

Karin liegt im Bett und kichert über der neuen Titanic. Vorn drauf ist ein Bild von Stoiber und links unten in der Ecke ein Bild von einem schwarzen Kind. Überschrift: Neuer Gentest schockt ganz Bayern: Ist dieses Kind von ihm ? Sein Vorschlag: Halbe Staatsbürgerschaft für den kleinen Edmundo ( 8 ). Werde in Zukunft ausgewählte Artikel der Titanic aus der abgelaufenen Nummer im Galeriecafé von BlueGlobe in einem "Zeitschriftenständer" zum Lesen zur Verfügung stellen.--War heut abend auf einer Party bei Kollegin/Freundin Vera und ihrem Mann Michael. Plötzlich der Blick: die faszinierende Frau ! Hab mich nie mit ihr unterhalten und weiß nicht wer sie ist. Nur ab und zu blickten wir uns an und lächelten. Woher weiß man, daß dieser Blick mehr ist und ist es nicht nur eine Täuschung ? Was löst solche Blickkontakte aus ? Ich weiß z.B. nicht, worauf ich da reagiere, sie war nicht außergewöhnlich in irgend einer Hinsicht ( ebensowenig wie ich es bin ) und am ehesten denke ich, daß es allein die Beschaffenheit unserer Blicke war, der uns veranlaßte, zueinander hinzusehen. Fuhr gedankenverloren nach Hause. Erlebe so etwas doch eher selten. Heute war es eher windstill, in jeder Hinsicht. Mein Computerfritze war hier, mir eine Leitung von der Telefonbuchse ins Zimmer zu legen. Wollte kein Geld. "Ein Freundschaftsdienst", sagte er. Bin begeistert.

Bis zu deinem Brief noch 1 mal schlafen. Harald

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Brooklyn, 6.2.99

Lieber Harald,

so ein schoener Abend. So schoen draussen -- Bin mit Barbara zu PlanEat Thai gegangen, das Restaurant in Brooklyn, wo wir auch schon einmal waren, habe so gut gegessen, Suppe, Vorspeise Hauptgericht... Lecker. Anschliessend ging es zu Wendel auf die Party: sie wohnt auf North 6th Street, nettes Haus, ganze obere Etage (klein) schoene unerwartete Aussicht. Ich mag das. Party Gaeste waren Jennifer und Todd, Angela etc. Habe viel mit zwei Landpflanzen aus Bayern gesprochen (Michael und Birgit) und sogar Nummern ausgetauscht. -- Muss sagen, da das erste Verhoer mit Monica Lewinsky veroeffentlicht wurde, ich meine Meinung ueber Monica geaendert habe. Schlau, frech, laesst sich nichts vormachen. Weiter so. Clinton gewinnt an Ansehen und Monica auch: doch nicht Traler Trash.

Gruss und Kuss Dein Jan

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Sonntag, 07.02.99

Lieber Jan,

Spaziergang zum Jolesch, um dort Apfelstrudel mit Vanillesoße zu essen, dabei das Flugblatt in die Hand bekommen: Telefonbude. Die schießen hier in Kreuzberg jetzt aus dem Boden, seit es die privaten Telefongesellschaften gibt. Meist haben sie auf die jeweilige Bevölkerungszusammensetzung des Stadtteils gemünzte Angebote. Der im Flugblatt war wohl eher ein Region-Ost-Spezialist: Thailand und Vietnam=1.03DM/Minute, Polen=0.46DM/Minute. Man macht einen Spezialtarif mit einem Billiganbieter aus und garantiert ihm dafür viele Gesprächsstunden. Man baut einen Tisch in eine Ladenwohung, auf dem stehen 6 Telefone. Es gibt Kaffee und Wartebänke, karge oder besser: keine Einrichtung. Meist ist das Türschild auf Türkisch. Dann verteilt man Handzettel und wartet auf Kunden, die kein Telefon haben und nicht lange vor Telecom-Häuschen warten wollen.--Haben eben Lammbraten gemampft. köstlich ! Wollen nachher noch was trinken gehn, ans Maibachufer.--Viel Spaß in San Francisco.

Harald

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Brooklyn 7.2.99

Lieber Harald,

Habe einige Zeit heute Abend in einer antiquarischen www.zvab Seite geblaettert. Fast 1/2 Million antiquarische Buecher. Recht interessant. Spiegel zur Hessen Wahl gelesen. Wenn die doofe FDP nicht reingekommen waere wuerde es anders fuer rot/gruen ausschauen. -- Wir hatten heute Abend von Kitty Besuch. Barbara hat fabelhaft gekocht, dazu noch Champus getrunken... Dann habe ich mich zurueckgezogen damit die Damen plaudern koennen. -- Mir ging heute noch ein Gespraech durch den Kopf, das ich mit Birgit gestern auf der Party hatte: Es ging um Berlin, wo sie von 1995-98 gewohnt hat (als sie nach Berlin gezogen ist war ich schon 2 Jahre fort). Ihre Perspektive auf die Stadt war eine voellig ungeteilte. Machte in ihrer Welt ueberhaupt keinen Unterschied ob man im Westen war oder im Osten... Eine beruhigende Entwicklung. -- Hier haben vier Polizisten in der Bronx, einen Mann erschossen: in seiner Wohnung. Die 4 Polizisten haben 41 Schuesse auf den unbewaffneten Mann abgeben. Hintergruende sind natuerlich noch ungeklaert. Die hohe Trefferquote haengt auch damit zusammen, das die Polizei hier Waffen traegt, mit denen man mehrere Schuesse in der Sekunde abgeben kann. Der ganze Vorgang hat also nur ein paar Sekunden gedauert. -- Wuensch Dir was!!!

Dein Jan

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Montag, 08.02.99, der Frost kommt langsam über die Stadt

Mein lieber Jan,

hab heute etwas ziellos im Computer umhergestochert, am Abend nach der Arbeit in Schönefeld kommen keine Ideen mehr, mußte mich mit einem nicht funktionierenden Ticketdrucker herumschlagen, das mag ich nicht, wenn die Geräte nicht normal funktionieren, bin eigentlich müde, hätte gerne frei, morgen ist ein freier Tag, aber nur einer, und ich habe viel zu erledigen, werde also nicht zum Schreiben kommen, also ist es eigentlich ein verlorener freier Tag. Überlege, ob ich mir eine BlueGlobe-freie Woche gönnen will, hab mich eigentlich jeden Tag damit mindestens 2 Stunden beschäftigt in irgend einer Form. Möchte nur noch E-mails schreiben oder einen neuen Weltspielspiegel, bzw. mal etwas auf englisch. Ich denke, das werde ich tun. Freu mich auf den Frühling, mehr draußen sein, Blicke schweifen lassen, das Gefühl, unter einem Himmel zu leben...

Kurzer Gruß, paar Zeilen, freu mich auf den Schlaf

Harald

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Brooklyn, 8.2.1999

Lieber Harald,

ein langer Tag. Eher so lala. Lange auf der Arbeit, lange in der UBahn, was ich in der Zeitung lese ist sofort wieder vergessen, keine Ideen. Was gabs besonderes? Da waren heute morgen zwei sehr sehr huebsche Frauen in der UBahn. Eine muss so aus Indien, oder der Gegend gekommen sein, die andere vielleicht aus Korea. Beide nebeneinander, fuer ein paar Stationen. Ansonsten hat man nur gedraengelt. Voller Zug, da ich heute puenklich um 9:30 in der Arbeit sein wollte. Freu mich auf S.F. Habe Sonntag auf alle Faelle frei, und moechte rausfahren, ans Meer auf der 1 in Richtung Sueden. Dann raus aus dem Auto und laufen, durch den Wald, die Huegel, einfach gehen, ohne anzuhalten, bis ich nicht mehr kann: dann ist Zeit zum umdrehen. Brotzeit, was zu trinken, dann geht dat los.

Liebe Gruesse, Dein Jan

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Dienstag, 09.02.99, freier Tag

Lieber Jan,

viel Schnee und helle Sonne drauf. Hab mit Olafs Hilfe ein Kabel durch die Wand von der Telefonbuchse in mein Zimmer gelegt, jetzt brauch ich kein Verlängerungskabel mehr von der Buchse durch die Tür und kann endlich diese Tür wieder schließen. Olaf erzählte mir, daß man vor hat, Internetverbindungen jetzt über die Wasserleitungen zu schaffen. Ohne Strom, sondern mittels mechanischer Schwingungen in sehr hohen Frequenzen, die an den Leitungen nicht spürbar sind, da sich nur einzelne Moleküle anstoßen und so die Datenpakete weiterleiten, theoretisch in jede Wohnung, da ja alle Wasserleitungen irgendwie verbunden sind. Selbst Häuser ohne Telefonanschluß können so noch erreicht werden. Auf ähnliche Weise soll das übers Stromnetz auch gehen. Fand ich allerhand. -- War mit Olaf am Ufer für ein zweites langes Frühstück, dann mit Karin im neuen OFF Kino: "Wachgeküßt", seichtes Portrait einer 40-Jährigen, die von ihrem Mann verlassen wird und alleine in einer Edelwohnung an der 5th Avenue lebt. Wär so was fürs Flugzeug, aber im Kino...

Harald

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New York, 9.2.99

Lieber Harald,

dummerweise habe ich in S.F. keinen email Anschluss im Buero, daher werde ich versuchen Dir von Kinko's gelegentlich zu schreiben, bzw. die taegliche Notiz an Dich zu verfassen. Lese mal wieder Fontane, bzw. bin ich noch unentschlossen, ob ich Irrungen Wirrungen bzw Cecile nach S.F. mitnehmen soll. Es entsteht immer eine sehr merkwuerdige Stimmung wenn ich Fontane in der UBahn lese: heute wurde zum Beispiel, so faengt Cecile an, eine Bahnfahrt in den Harz beschrieben die am Zoo vorbei und durch Potsdam fuehrt. Kann so gut in die Stimmung und die Beschreibung eintauchen (habe hunderte alter Photo's vom Berlin der Jahrhundertwende gesehen), dass ich meine Umgebung vollkommen vergesse, was in der UBahn, eher selten passiert, da die Umgebung doch sehr gegewaertig ist. - Beim Laufen im Park, heute morgen, lag ueberall noch Schnee. Lass es Dir gut gehen!

Allerbeste Gruesse, Dein Jan

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Mittwoch, 10.02.99

Mein lieber Jan,

heut hab ich verschlafen ( bin um 08:45 Uhr aufgewacht, um 09:00 soll ich in Schönefeld die Pforten öffnen... war um 09:30 da ). Fahrt durch den Schnee, im Sonnenlicht. Plötzlich, auf der Höhe des UBahnhofs Neukölln : wie ein Sandsturm - eine Eiskristallwolke. Sie kam grau und dicht auf mich zu und dann fuhr ich minutenlang durch ein sonnendurchglitzertes Geflirre von winzigen, aufstiebenden Eiskristallen ! Das war wie ein Geschenk. Hab ich noch nie so erlebt, keine Ahnung, wie dieses Gestöber entstanden ist, es war auch plötzlich vorbei und einfach wieder strahlender Himmel, vielleicht eine Orkanbö, die die Kristalle zu Wolkengröße aufgewirbelt hat... Hatte vielleicht 2 1/2 Stunden nur geschlafen, nicht gefrühstückt, und natürlich war es ein arbeitsintensiver Tag, eh klar ! Abends viel Ruhe, Karin bei einer Freundin. Hab den ganzen Abend Mails geschrieben.

Schlaf gut an der S.F.Bay

Harald

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10.02.99

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11.02.99 Hallo, mein Lieber,

langsam wird es kälter, leichter Frost, vielleicht 5°C unter Null. Arbeit in Schönefeld, danach mit Sabine im Übersee. Sehr angenehm, sie zu treffen, merkwürdig, daß ich sie nur kenne, weil ich einmal mit dem Grundsatz gebrochen habe, nie mit jemandem vom Flughafen noch nach der Arbeit wegzugehen. Später am Abend stieß ihr Freund und mein neuer Bekannnter Nils zu uns und wir hatten einen lustigen Abend. Nils wird mir helfen, Musik-Cd´s zu bespielen.

Ich ging sehr spät nach Haus ( ca. 00:30 ) und muß um 5:00 Uhr arbeiten. Weia.

schicke daher diese Mail erst am 12.02. los ( keine Verwirrung !!! )

Dein Harald

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San Francisco, 11.2.1999 (21:22)

Lieber Harald,

ein sehr interessanter Moment. Habe eben bei Kinko's eine Hotmail Adresse eroeffent, und moechte Dir meine erste Semper Meldung von unterwegs zukommen lassen. Bin auf der Market St. im Stadtteil Castro, weit von meinem Hotel entfernt, auf dem Weg zum Hotel. Habe gerade sehr nett zu Abend gegessen, und bin dann zum Kinko's gelaufen den ich vorher vom Auto aus gespechtet hatte. Los gehts: Bin heute den ganzen Tag durch Buchhandlungen geschlichen, habe ein paar recht verwegene Krimis gekauft, und mich mit verschiedenen Kollegen unterhalten. Die Buecherwelt ist hier sehr viel lebendiger als in NY. In einem der Laeden, bei Kayo, habe ich sogar das Magazin entdeckt, indem Josef und ich vor Jahren unseren Panther Artikel untergebracht haben. Das war das erste Mal das ich die Zeitschrift zum Verkauf angeboten sah. Lustig. - Habe Dir gestern die Semper 10 Meldung per Post zugeschickt. Moechte noch versuchen mich bei Blueglobe einzuschalten. Machs gut, und hoffentlich bald mehr von meiner Seite!!! Liebe Gruesse

Dein Jan

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12.02.99

Lieber Jan,

nach einem Mittagsschlaf fuhr ich abends zum Zionskirchplatz, Johannes und Sabine treffen, die ich lange nicht gesehen habe. Es war in gewissem Sinne eine Heimkehr, hab am Zionskirchplatz ja viele Stunden verbracht und das Treffen mit den beiden war angenehm. Johannes studiert Theaterpädagogik an der HDK, Sabine studiert Betriebswirtschaft und arbeitet nebenher 30 Stunden die Woche in einer Werbeagentur. Sprach mit Johannes darüber, wie man die Welt verdauen kann, ich tu es mittels Schreiben, er tut es beim Schauspielern. Sabine sprach viel von ihren Erfahrungen mit der knallharten Welt der Werbebranche, ihre Agentur hat z.B. mit Sony zu tun, du kannst dir denken, um was für Beträge es da geht und wie hart der Wettbewerb dabei ist.

Harald

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S.F.,12.02.99

Lieber Harald,

bin noch nicht ganz darueber hinweg, dass wir uns wirklich nun jeden Tag schreiben, und das es so leicht geht, mit der Hilfe eines 24 Stunden Kopie Shops und einer Adresse bei Hotmail. Frueher haben sich Amerikaner auf Reisen ihre Post zu American Express schicken lassen, heute sieht man den Interrail Reisenden, im Kopieshop, Cybercafe oder in der Buecherei... Schoen zu hoeren, das Du alte Bekannte am Zionskirchplatz triffst. Habe heute ans Uebersee gedacht, wie ich dort vor vielen Jahren gesessen bin, unter der Erde "physikalisch". Mir ist auch der Name von dem Jungen und immer froehlichen Kellner eingefallen, jetzt komme ich leider nicht mehr drauf. Bin viel rumgefahren, habe sehr nett bei Powell's gegessen, leckeres Soul food, 2 Personen fuer $18, sehr einfach, sehr nette Leute, sehr gemuehtlich. S.F. ist eine sehr liebenswerte Stadt. Macht grossen Spass hier zu sein. Die Luft, das Meer... War heute am Hafen laufen, hinueber zur machtigen Golden Gate Bridge, als ich unter ihr war bin ich wieder umgekehrt. So, jetzt noch Abend essen, und dann noch spazieren gehen. Weiss noch nicht ob ich Dir morgen schreiben kann (die Buchmesse hat heute angefangen) aber am Sonntag, wirst Du sicher von mir hoeren.

Liebe Gruesse Dein Jan

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Samstag, 13.02.99

Hallo lieber Jan,

während der Süden des Landes und Osteuropa ( allein in Ungarn sind 19 Menschen erfroren, bei Chamonix riß eine Lawiene 15 Menschen in den Tod, in den österreichischen Alpen sitzen hunderte von Urlaubern fest... ) von der Kälte heimgesucht wird, war es bei uns heut wieder sonnig und manteloffenwarm. Nur nachts wird es recht kalt. Bin morgens geweckt worden, weil man aufgrund eines Fehler annahm, daß ich Frühdienst hätte. Konnte nicht mehr recht schlafen, war erst gegen 4:30 Uhr ins Bett gegangen und so war der freie Tag heut vermasselt. Wir waren nur bei Karstadt einkaufen und noch im Lichtblick etwas trinken, wo es eine gemütliche, freundliche Bedienung in unserem Alter gibt, die ich recht gerne habe, da sie meist recht guter Laune ist. Fühl mich nicht wohl.

Dein Harald

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S.F. 13.2.1999

Lieber Harald,

bin mir leider nicht sicher ob Du meinen Semper 12 erhalten hast. Bitte rueckmelden. Heute morgen zu der guten Nachricht aufgewacht, das die Clinton Affaire nun entlich vorbei ist. Nach OJ Simpson, war das mein zweites grossen Medien specktakel. Bin laufen gewesen, wieder am Hafen entlang, mit einer so phabelhaften aussicht... Dann der Vromittag ueber in der Stadt spazieren. Das Wetter ist hier wahnsinnig schoen und mild.

Liebe Gruesse Dein Jan

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Kreuzberg, Sonntag 14.02.99

Lieber Jan,

früh Arbeit und nachmittags am Rechner für meine entstehende Indianer-Ausstellung. Schnell vorbei so ein Tag, ohne daß sich erst mal viel halten würde, Projekte im Entstehen scheinen noch keine Zeit hinter sich zu bringen, erst wenn sie fertig sind, scheint die Dauer aus ihnen heraus. ( Das zum "unvollendeten" Projekt ).

Gruß nach S.F.

Harald

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S.F. 14.2.1999

Lieber Harald,

habe eine wunderbare Fahrt auf Highway 1 hinter mir. Bin am Meer spazieren gegangen, war stundenlang unterwegs: die Welle wahnsinnig hoch, wunderbar milder Tag. An einer anderen Stelle habe ich einer Gruppe von sehr grossen Seeloewen zugesehen. Das alles keine 50 Meilen von S.F. entfernt. Auf der Rueckfahrt bin ich mit ach und krach zu einer Tanke gekommen, hatte ganz vergessen, das man ein Auto ja hin und wieder mit Benzin fuellen muss.

Allerbeste Gruesse

Dein Jan

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Montag, 15.02.99

Mein lieber Jan,

Habe eben meine erste CD erfolgreich aufgenommen. Die Lieder mit Martin. Nils war heut bei mir und hat mich eingewiesen. Bin ganz benommen, so viel Musik, so viel Zeit, so viel Geschichte. Habe vor, als erstes Kopien für dich zu brennen, Lieder aus 20 Jahren, und dir die CD zu schicken.

Hab ansonsten immer noch ohne Erfolg an der Semperbriefe-Direktschreibe gebastelt, schade, es geht noch nicht und ich hatte gehofft, am Wochenende aus Köln direkt via BlueGlobe an dich schreiben zu können, jetzt bleiben es eben vorerst e-mails.

Mittagessen im Jolesch, Zwiebelsuppe, Lammwürstchen, Bratkartoffeln, Kirschkuchen. Edith so schräg wie immer ( jo, habts wos schönes ausgesucht... ??? )

Dein Harald

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S.F. 15.2.1999

Lieber Harald,

wo bist Du? Mache mir langsam sorgen. Hast Du meine Nachrichten bekommen? Schreibst Du mir sempers? -- Habe eine phabelhaften Tag hinter mir: am nachmittag bin ich nochmal raus gefahren, und war stundenlang im gruenen unterwegs. Es hat vom Hotel aus keine 20 Minuten gedauert, dann war ich draussen. Es ist so schoen hier, so wunderbar die Baeume und andere Gewaechse. Morgen frueh geht es wieder und entlich nach NY. Abflug 9:15 Ankunft gegen 17:30. Man ist den ganzen Tag unterwegs, dazu kommt die 3 Stunden Zeitdifferenz. -- Werde meine Besuche bei Kinko's nicht vermissen, wenn ich laenger hier waere wuerde ich versuchen mir einen anderen email Standort zu suchen.

Allerbeste Gruesse Dein Jan

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Kreuzberg im Schnee, 16.02.99

Lieber Jan,

endlich mal etwas Schnee gefallen hier im Norden. Haben einen amerikanisch/vietnamesischen Film auf der Berlinale gesehen, Three Seasons, Harvey Keitel hat ihn produziert, auch mitgespielt, vietnamesischer Regisseur, etwas kultur-kitschig. Hab ein wenig in BlueGlobe aufgeräumt ( die Werkstatt ). Leider noch kein Erfolg mit der neuen Semper Abeilung und jetzt fahr ich am Wochenende ja auch nach Köln. Überleg dir mal, ob du vielleicht mit mir das Werkstatt-Gästebuch als Semper-Abteilung benützen willst, das benützt eh keiner. Ich könne Einträge daraus aber nur löschen, nicht verändern. Probier vielleicht einen Probeeintrag, ob dir das genehm wäre. Erst mal weiter per e-mail mit den Sempers, warte auf deine Antwort zum Werkstatt-Gästebuch.

Dein Harald

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Brooklyn, 16.2.1999

Lieber Harald,

man rauscht 5 spurig von S.F. zum Flughafen, die Strassen brechend voll, aber der Verkehr rollt so dahin, anfangs mit 25 meilen spaeter etwas flotter. Der Flug war angenehm leer. Konnte mich in der Mitte auf 3 Sitzen ausstrecken, und habe fast den ganzen Flug ueber geschlafen. Beim Anflug auf NY ein toller Blick auf die Stadt daunten. -- In keiner anderen Stadt in Europa oder den USA habe ich soviel Obdachlose gesehen wie in S.F. Das milde Klima, heisst es, macht es fuer Obdachlose atraktiv. Man sieht sie ueberall, in kleinen und grossen Gruppen, gehoeren zum Stadtbild.

Fuer heute Alles Gute, Dein Jan

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17.02.99 Kreuzberg im Schnee, noch immer

Lieber Jan,

3 tote Kurden vor der israelischen Botschaft in Wilmersdorf, tja, mit dem Israeli ist das nicht zu machen, der kann sich eben keine besetzte Botschaft leisten, wie vielleicht der Grieche und das mit dem Doppelpaß ist jetzt auch endgültig vermasselt. Die Volksseele wettert !

Am Airport: Bombendrohung, Flughafen 2 Stunden wegen Wetter gesperrt, Streichungen und Verspätungen, Chaos.

Kam spät heim, meine Sempers schreib ich deshalb jetzt manchmal erst am nächsten Morgen, hab deinen Semper 10 als Brief aus S.F. bekommen, und werd meine nächsten aus Köln schreiben.

Belohnt werd ich zur Zeit mit dickem Schnee und praller Sonne drauf, sehr, sehr schön. Blauer Himmel.

Harald

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New York, 17.2.1999

war ganz erfreut, Deine vielen sempers in der Arbeit vorzufinden. War gestern schon ganz traurig, da ich keine zu hause vorgefunden hatte, und wunderte mich auch, das Du keine nach S.F. geschickt hast, semper 11 und 12 waren die letzten mails, die ich von Dir dort erhalten hatte. Da die sempers auch aus der Werkstatt verschwunden waren, dachte ich schon Du haettest das Projekt ganz einfach gestrichen: in der Nacht plagte mich dann ein Alptraum (ohne schmarn). Sind die sempers zu langweilig, schreibe ich zuviel uninteressanten schmarn, und mein Argument das die sempers als einzelne betrachtet vielleicht wirklich sehr langweilig sind, aber es geht doch um das ganze, die taeglichen Zeilen. Klar, koennte ich versuchen auch mehr auf Deine Mails einzugehen, und es koennte vielleicht auch ein ganz interessanter Dialog entstehen, wenn man versucht etwas geistreicher zu sein. Als ich aufwachte, gingen mir diese Fragen durch den Kopf, und ich denke da ist schon was dran, wenn man das ganze betrachtet, und die Briefe koennen vielleicht auch etwas interessanter werden, aber am wichtigsten ist mir taeglich von Dir zu hoeren, und so naeher an den Geschehnissen in Deinem Leben teilzunehmen, unter zuhilfe nahme einer sehr angenehmen Erfindung: email, semper et ubique von der einen Seite des Atlantiks zur anderen. Nochmal for the record: wenn ich unterwegs bin, ist es am einfachsten mir mails an IanEhling@hotmail.com zu sch icken. Ansonsten kannst Du alle mails nachhause schicken. Falls Du meine mails nicht bekommen hast, kann ich sie Dir alle nochmal zuschicken. Habe kopien von semper 12-15, semper 11 habe ich der Post anvertraut und muesste dieser Tage bei Dir ein treffen. -- Noch ein Nachtrag zu meinem luxus Hotel in S.F. War es am ende wirklich leid: jede Tuer wurde fuer mich geoeffnet, abends immer Klavier Musik und immer ein Feuer im Kamin, das Bett jeden Tag gemacht, wie beim Militaer, die Handtuecher immer frisch, die Vorhaenge immer zugezogen (es dauerte eine weile die dicken Vorhaenge wieder zu oeffnen) und so weiter. Ueberall freundliche Aufmerksamkeiten, kleine Schokoladen etc. Armer Hans Carstrop, der in so einer Atmosphare 7 Jahre verbringen musste. Stelle mir jedes Hochstapler Leben auf einmal ganz schrecklich vor. Lass es Dir gut gehen.

Liebe Gruesse Dein Jan

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Knirschende Schritte, 18.02.99

Lieber Jan,

tagsüber Tauwetter, nachts friert die tauende Schneedecke wieder. Kaum mehr den Blick heben können, zuviel Getöse auf Arbeit, zuviel Ziellosigkeit. Kam weder zum Schreiben, wie ich wollte, noch dazu, die technischen Fragen der Semper-Einrichtung zu lösen. Bräuchte mal etwas Zeit, einige Stunden nur, um nur den Kopf heben zu können und in eine mitteilsame Stille zu lauschen. Meine erste CD am 15.02 ging wie ein technischer Furz vorüber, die Rührung, als ich sie anhörte verhallte echolos in diesen geschäftigen Tagen, es ist wie weggewischt zu werden. Bisher jagt das Jahr nur so hin, kaum vorstellbar, daß es schon 1 1/2 Monate alt ist.

Morgen nach Köln, dann von dort

Harald

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Brooklyn, 18.2.1999

Lieber Harald,

nochmal die Frage: Hast Du meine sempers bekommen? -- Freue mich auf Deine erste CD. Denke, dass es fuer mich kein Problem waere, weiter die sempers per email zu verfassen, wenn es allerdings Dein Leben erleichtert, sollten wir das Werkstatt Gaestebuch benutzen. -- Die Verhaftung und Entfuehrung von Oecalan, hat mich ziemlich ueberrascht. Keiner der sich auf die Seite der Kurden schlaegt, so scheint es. Was haette es fuer einen Aufruhr gegeben vor 20 Jahren, wenn das Arafat passiert waere. Heute nur die gleichen Kommentare in der Einheitspresse. Die Kurden isoliert, ja und natuerlich die doppelte Staatsbuergerschaft erledigt. Scheisse. Liebe Gruesse nach Koeln,

Dein Jan

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Köln, 19.02.99

Lieber Jan,

man wies uns bei der Sicherheitskontrolle darauf hin, daß man sehr gründlich kontrollieren werde, wegen der aktuellen Sicherheitslage. Viel Polizei, auch dann in Köln vor dem Dom, in dessen Nähe sich die griechische Botschaft befindet. Wir waren im Römisch-Germanischen Museum: dort ein hübsches Bild, wie von draußen vier Polizisten in Lederjacken mit der Aufschrift: "Polizei" im Gänsemarsch hereinspazieren und auf der Herrentoilette verschwinden. Hätte ein nettes Foto abgegeben: vier Ledernacken der Polizei, die in Reihe pinkeln. Im Museum: unser alter Kumpan Hadrianus. Dachte an seine Villa und unseren Besuch dort.

semper et ubique

Heraldus Carolus Germanicus

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Brooklyn, 19.2.1999

Lieber Harald,

um den Schnee in Berlin beneide ich Dich. Hier hat es nur ein paar mal und eher wenig geschneit. Wo ich den Schnee, gerade hier in Park Slope so mag... Heute haengt eine orange farbene Mondsichel ganz tief ueber New Jersey, irre wo und in welchen lagen man den Mond manchmal so sieht (Dort habe ich ihn noch nie gesehen). -- Verfolgte ein bisschen die Diskussion im Spiegel Forum zum Thema Oecalan. Hat etwas vom Schulhof. Verschiedene Meinung, verschiedenes Niveau. Nicht schlecht, eine neue Form der Komunikation. Der Massenaustausch, jeder kann mitmischen. Witzig auch: in der Mittagspause, habe ich die Sueddeusche von morgen (Samstag) gelesen... Hoffe Du hast eine gute Zeit in Koeln. Mir wurde mal erzaehlt, das man dort in den Kneipen viel Sam Adams trinkt. Ist das auch Dein Eindruck?

Liebe Gruesse Dein Jan

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Köln am 20.02.99

Lieber Jan,

Haben einen Spaziergang durchs belgische Viertel mit Ulrike unternommen, das Viertel, wo Karins Freund Tom wohnt, angenehm dort, viele Restaurants aller Couleur, enge Straßen, innenstädtisches Ambiente, in dem man sich sofort wohl fühlt. Ich bin dann zu einem kranken Andi gefahren, Karin und Ulrike haben sich mit Axel zu einem Besuch im Schokoladenmuseum ( Firma Stollwerck ) getroffen. Will ich mir nach den positiven Berichten auch mal ansehen. Andi, hab ich den Eindruck, ist in Köln endgültig am Scheitern begriffen und denkt an eine Rückkehr nach Berlin. Abends essen in einem Lokal: "Spielplatz", dort gab es auf dem Klo keine Präservative, sondern Mini-Zahnbürsten aus dem Automaten. Ich war begeistert !

Harald

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Brooklyn, 20.2.1999

Lieber Harald,

schoen von Dir aus Koeln zu hoeren. Weiss nicht wie lange Du dort bleibst, daher schicke ich besser keine Nachricht an Dich nach Koeln, sondern lieber gleich an Deine Heimatstation in Berlin. UBahn-Geschichten: Gestern traf ich kurz vor der Station 68th Street, wo ich in der Regel aussteige, einen ex-Kollegen: Charles. Als ich am gleichen Tag Abends nachhause fuhr, begegnete ich kurz vorm aussteigen einer Freundin von Jen, die in der President St. wohnt. Heute morgen dann wieder einem bekannten Gesicht begegnet, aber keinen Bekannten: es handelt sich um einen Vietnam Veteran, der Obdachlose mit Nahrung und Getraenken versorgt, und die Fahrgaeste nach einer Spende fragt. Ich sehe den Knaben gelegentlich, nach seiner eigenen Auskunft ist er jeden Tag einige Stunden unterwegs. Ich und viele andere gebe ihm immer Geld, da ich den Eindruck habe, das er wirklich Leuten hilft. Er kennt sich auch so ein bisschen mit Gesetzen aus, so das er anderen Veteranen erzaehlen kann was ihnen zusteht. Es gehoert schon einiges dazu, sich nur durch seine Arbeit in der Subway einen gewissen Bekanntheitsgrad zu schaffen. -- Wir sind heute Abend bei Jen und Dan zum Abendessen eingeladen. Doug und Paula holen uns in wenigen Minuten ab! Nu geht dat los.

Liebe Gruesse, Dein Jan

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Kreuzberg, 21.02.99

Lieber Jan,

Spätes Frühstück und Rückflug nach Berlin. Dort leider kein Schnee mehr, alles fortgeschmolzen, zu warm. Karin bleibt noch bei Tom in Köln bis morgen.

Hier fürchtet man das Hochwasser, wenn all der Schnee in den Alpen schmilzt. Das interessiert ja auch mehr, als unterdrückte Kurden irgendwo in der Welt, Hauptsache, die randalieren nicht in unseren Städten rum. Eines ist allerdings seltsam: die PKK Führer konnten sich doch sicher denken, daß nicht gut Kirschen essen ist, wenn sie ihre jungen Anhänger in die israelische Botschaft schicken, genau das scheinen sie aber getan zu haben, so meint es zumindest die TAZ. Wer opfert hier wieder wen ? Schade, daß wir un nicht bei einer Tass Kaff darüber unterhalten können...

Harald

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New York, 21.2.1999

Lieber Harald, da ich vorgestern Nacht erst gegen 4:00 morgens heim kam (Barbara und ich waren bei einem Abendessen bei Jen und Dan, zum dem auch Doug and Paula und Becky und Chris eingeladen waren), habe ich Sonntag die meiste Zeit im Bett: lesen/schlafen verbracht. Pin hat mir ganz hervorragende Gesellschaft geleistet. Was ist schoener als einen verschlafenen Sonntag zu hause mit seinem K@tzle zu verbringen.Semper 22 wird Dich spaeter von zu hause erreichen! Liebe Gruesse Dein Jan

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Graefestraße, 22.02.99

Lieber Jan,

Dough und Paula, Jen und Dan sind mir ja ein Begriff, aber Becky und Chris ( da erinnere ich mich nicht ). Sag mal Dough einen schönen Gruß von mir, wie es sich anhört ist also Paula jetzt in New York. Er wollte doch eine Reise in die Türkei unternehmen ( die Hochzeitsreise ? ). An meine Mit-whitness auch einen Gruß ( nein, nicht nur wegen der schönen Augen wegen, wir sollten uns vielleicht wirklich langsam mal absprechen wegen unserer Rollen am 02.Oktober... is she going to hold a speech ??? ) --- Heute nach der Arbeit in Schönefeld mit Karin beim neuen Italo essen ( leckere Spahetti Siciliane mit Walnüssen, Pinienkernen, Pistazien ). Karin hatte einen schönen Aufenthalt bei Tom im belgischen Viertel und sie ist wieder etwas beruhigt, was die Sache mit der fehlenden Zeit für sie von seiner Seite betrifft. Ich freue mich. Mir gelingt es wieder mal nicht, mich so richtig schlecht zu fühlen, ich scheine da was falsch zu machen...

Dein Harald

P.S.: schon mal im Forum die neue Semper-Abteilung abgetestet ? Ich könnt mir vorstellen, daß wir dort einen ( oder sogar mehrere ) richtigen Dialog beginnen könnten. Semper ab März !

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Brooklyn, 22.2.1999

Lieber Harald, heute Abend bin ich noch zum Friseur gegangen, wo man nur russisch redet, dann bei Veselka gegessen, wo gerne polnisch geredet wird. Auf der Heimfahrt sprach man dann wieder englisch: hat wahnsinnig lange gedauert, habs aber ueberstanden, da ich was zum Lesen dabei hatte. Lese ueber Bernhard Breslauer, ein New Yorker Antiquar, dessen Firma von seinem Vater vor 100 Jahren in Berlin gegruendet wurde, und sich dort bis 1937 befand. Moechte heute frueh ins Bett, da ich morgen sehr frueh aufstehen moechte: Fuer die neue semper Seite hatte ich bisher noch keine Zeit, wird aber nachgeholt. Morgen Abend gehts auch einen Geburtstag.

Lass es Dir gut gehen, liebe Gruesse Dein Jan.

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23.02.99

Lieber Jan,

schockschwerenot, ich hab das Forum erst mal gekillt, ich meld dir, wenn es benutzbar wird, für Probeeinträge. Du hattest schon welche gemacht, nicht ? Sorry. Heut war ich einkaufen in der Markthalle, hab danach Philip ( meinen netten Untermieter ) in der Bergmann 59 besucht, er hat die Wohnung schön eingerichtet und ich seh das gerne. Böden weiß gestrichen, gibt enorme Helle ab, Bleistiftzeichnungen an den Küchenwänden, alte Blechschilder an den Wänden.

Nachmittags haben Karin und ich Kohlen mit dem Aufzug gezogen, hoffentlich genug für den Rest des Winters. Hab eine Verabredung mit Sabine abgesagt, bin etwas krank, nur ganz leicht, aber eben keine Lust auf ein Treffen, wir haben statt dessen eine halbe Stunde telefoniert, schön, ihre Stimme zu hören. Mein wichtigster Anhaltspunkt hier in Berlin, neben Karin.

Noch ne Stulle und dann ab in die Heia. ( mir fällt nur Stuss ein... )

Harald

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Brooklyn, 23.2.1999

Lieber Harald,

noch fuer 20% saft in der Baterie, da muss ich schnell machen, wenn ich nicht aufstehen moechte um das Kabel zu holen. Ja, so ein Besuch in der alten Umgebung kann einem schon ganz schoen unter die Haut gehen. Um so besser, die alte Wohnung in so guten Haenden zu wissen. Bergmannstrasse: kann mich noch gut an meinen ersten Besuch dort erinnern. Was ist mit dem Forum passiert? Mir war schon ganz melancholisch zumute, die alte Form der emails aufzugeben, gerade jetzt, wo alles so schoen aussieht, und die Striche unter den Daten jetzt schon in einiger Anzahl zu sehen sind. Ja, war gestern probeweise im Forum. Hoffe weija hat nicht mit meinem Besuch dort zu tun. Mir gingen so einige Sachen durch den Kopf, als ich den Kompi anstellte, ich mag die kurze Wartezeit, wenn sich die Maschine so auflaedt und die Verbindung herstellt, es ist fast wie ein Gebet vor dem Essen, ein kurzer Moment der Besinnung. Dachte man koennte jeder Eintragung anstelle vom Datum noch etwas mitgeben, z.b. wechselnde Autorennamen, Verlagsnamen des 15. Jahrhunderts, Farben, Medikamente, Rotweinsorten, Waehrungen, und sich so die Zeit vertreiben: Serner, Aldine, rot, Asperin, Chianti, Lira etc. jeden Tag andere und so weiter. Bis zum Jahresende waehren das noch 311 variationen, wie ich heute auf dem Postamt lernte, wo jede 1/100 Sekunde runtergezaehlt wird. Es waren am Nachmittag so ca. 311 Tage 9 Stunden und so weiter...

Gute Besserung, Dein Jan

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Kreuzberg, 24.02.99

Lieber Jan,

Lawinen prasseln nieder, ein kleiner Ort, Galtür, in Österreich hat schon die 2. abbekommen, ein Ort, wo Vivien einmal skiing instructor war. Es muß fürchterlich sein, denn der Ort ist völlig von der Umwelt abgeschnitten, wegen der heftigen Schneefälle, und die Hubschrauber konnten erst Stunden später hin, wegen des Schneesturms. Man wußte von 9 Toten und fast 30 Menschen werden vermißt, es hat mehrere Häuser weggerissen. Es gibt im Ort 1 Arzt, der hat mit einigen urlaubmachenden Ärzten in der Tennishalle des Ortes ein Notlazarett eingerichtet. Über Telefon gaben sie durch, daß Medikamente und Verbandsmaterial allmählich ausgehen und die Schwerverletzten ( ca. 25 ) nur unzulänglich versorgt werden können. Inzwischen hat die österreichische Luftwaffe begonnen, das ganze Dorf zu evakuieren, da man mit noch mehr Lawinen rechnet. Ich denk bloß an die Schneeschmelze, da kann sich der Holländer eigentlich eine neue Bleibe suchen und Köln wird bis zum Domturm verschwinden...

Wir heizen warm und haben etwas schönen Schnee. Schade, daß man ihn durch die Katastrophen in den Aplen gar nicht so ungetrübt genießen kann.

Harald

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Brooklyn, 24.2.1999

Lieber Harald,

da habe ich gestern ja einen schoenen Schmarn verzapft. So geht das eben. Herzlichen Dank fuer die Meldungen aus der Alpenrepublik. Der Schnee, die Lawine, die Schneeschmelze, das Flut(g)unglueck. -- Eine Tupolew hat mal wieder Schlagzeilen gemacht: beim Landeanflug auf Wenzhou, hat die Tu-154 den Geist aufgegeben. -- Ich war heute ca. 11/2 Stunden zur Arbeit unterwegs. Ein Unglueck in der 59th Street Station, hat den morgentlichen Verkehr vollkommen zum Erliegen gebracht: das gute an der Sache war, dass ich endlich meinen Fontane zu ende gelesen habe. Nach der Arbeit gabs takeout vom Mexi und 2 Becks vom Cornerstore.

Da kommt Barbara... Machs gut, Dein Jan

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Nach dem Radiohören zum Abendessen, 25.02.99

Lieber Jan,

du hast doch gar keinen Schmarrn verzapft. Das werd ich jetzt mal tun : Innenminister Schily soll mit der Türkei verhandeln, daß man straffällig gewordene Kurden in die Türkei abschieben kann. Aha, der Kurde ist also vogelfrei. Hat er mal einen Stein auf ein Auto geschmissen ( Sachbeschädigung ) kann man ihn an Folterer ausliefern. Die Türkei soll uns vorher halt versprechen, daß sie die Todesstrafe nicht anwenden und auch sonst überhaupt ganz nett zu den Kurden sein wird. Klar. Das heißt, daß die deutschen Gesetze nur für Deutsche gelten, andere kann man einfach so an ihre Feinde ausliefern. Nett. Ich schlage vor: wenn Deutschland dann Tausende von Kurden ausweist, kann man denen vielleicht gleich ein paar schwarze Exilanten untermischen und den Türken einfach sagen, das seien auch irgendwie Kurden, merken die Türken NIE ! Und wenn schon, so ein Folterer in Ankara hat sicher auch seinen Spaß am Kenianer oder am Togolesen, man weiß ja, wie aufgeschlossen der arabische Raum den Schwarzen gegenüber ist, das ist geradezu sprichwörtlich. Doch den Kurden geschieht´s ja recht: nachdem man sich in den Alpen nun fragt, ob es El Nino ist oder der übertriebene Tourismus, der zu den Lawinen führt, liegt doch die Antwort auf der Hand: die Kurden sind schuld ! Sollen mal nicht so tun. Die Alpen sind ja auch zwischen Fankreich, der Schweiz, Österreich, Deutschland und Slowenien aufgesplittert. Na also !

Nettes Detail am Rande: bis 350 km/h erreicht eine Schneebrettlawine. Drück auf die Tube, Uwe.

Dein Harald

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Brooklyn, 25.2.1999

Lieber Harald,

nochmals vielen Dank fuer Deinen Anruf. Ab 1.3. also im Forum. Schily ist von allen guten Geistern verlassen, und das schon seit einer ganzen Weile. Jetzt wird der Mann auch noch gefaehrlich! Schlimme Zeiten. Da ist es schoen sich an die Vergangenheit zu erinnern, eine meiner liebsten Zeiten ist das geteilte Berlin, wo Schily zu Uni ging, die Mauer gerade gebaut wurde, der Tourismus florierte (keine Lawinengefahr) und die Stadt eine einzigartige Erscheinung hatte. Lese zur Zeit eines meiner neuerworbenen Buecher aus S.F. Eine sehr schlecht geschriebene Spionagegeschichte aus dem geteilen Berlin (1964) von Stephen Marlowe: "Drum Beat - Berlin is Chester Drum's toughest adventure-in the world's most explosive city, where double dealing and back-stabbing are the order of the night..." So der blurbe auf dem Umschlag. Zum Totlachen. Das Hotel Kempinski als Agententreff, die Oper, Unter den Linden, Checkpoint Charly natuerlich... Wie war Dein abendlicher Drink mit Karin? Wo seid Ihr hingegangen?

Liebe Gruesse, Dein Jan

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26.02.99

Lieber Jan,

Mittagsschlaf nach bewegtem Frühdienst, das Freitags-Chaos, aber angenehme Kollegen da, da macht es Spaß. Nach der Arbeit beim alternativen, fränkischen Fleischer in der Körthestraße, ich mag seine Wortkargheit und er lächelt so angenehm in sich hinein, wenn man freundlich ist. Hab für das Wochenende Kassler gekauft und Maultaschen, hmmmmmm...

Heut am Flughafen: recht gesittet ging eine Aktion über die Bühne: man hat die Särge mit den drei in der israelischen Botschaft erschossenen Kurden ausgeflogen. Viel weibliche, junge Polizistinnen, Ruhe und Übersicht, keine Störungen, Hat mich beeindruckt, auch von Seiten der Kurden.

Hab den Winter jetzt langsam über, fühl mich manchmal grundlos etwas verloren und isoliert. Brauch das draußen sitzen und Kaffee schlörken und in den Himmel sehen. War zuviel BlueGlobe, man vergißt den weiten Blick in die große Zeit. Merke schon, wie sich der nächste Weltspielspiegel formiert, ohne zu ahnen, was ich schreiben werde. Freu mich drauf.

Grüß mir Barbara. Was macht sie denn grade so ?

Dein Harald

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Brooklyn, 26.2.1999

Lieber Harald,

auf der 60th Street und Park Ave. entsteht zur Zeit ein Wolkenkratzer. Wann immer ich an der Baustelle vorbei laufe bin ich ueber die wahnsinns Fortschritte beeidruckt: die arbeiten hier in einem besonderen Tempo. Auf dem Bauzaum sieht man eine Zeichnung von dem vollendetem Gebaeude, die haben noch einiges vor sich: die Haelfte von dem Haus steht schon, oder ist es ein Drittel. Kann mich noch gut an das Gebaeude erinnern, das vormals auf dem Platz stand, auch nicht ganz niedrig. Das neue Haus wird eine sehr luxusorientierte Wohnanlage: habe von dem Plan, das Gebaeude zu errichten vor ca. 1 Jahr in der NYT gelesen: seit Jahrzehnten, so hiess es, wieder ein Haus, das Dienstbotenwohnungen anbietet: es ist ganz geschickt organisiert: auf den unteren Etagen (ohne Blick und Licht) die Angestellen, darueber in der Luxuswohnung, in den verschiedensten Groessen, und zu astronomischen Preisen die richtigen Wohungen. Fuer ein paar tausend $$$ kann man auch einen klimatisierten Weinkeller mieten. Der Aufwind an der Wall St. hat die Wohnungsspekulaten ins Volle greifen lassen. Was der Sache auch noch guenstig entgegen kam ist, dass der Wolkenkratzer genau auf der anderen Strassenseite der Strasse liegt, wo die Zonengrenze fuer neue zu hohe Gebaeude liegt, d.h. das Haus steht wohl in Midtown, wo jede Schweinerei erlaubt ist, ist aber nur eine Strassenseite von der Upper East Side entfernt, wo viel viel Schweinereien erlaubt sind, aber nicht jede. Auf dem Weg zum Jama Bello lief ich heute an dem Teil vorbei, und dachte mir, da schreibst Du einen semper drueber, da es mich so beschaeftigt und es so schnell in den Himmel waechst, und sich auch ueberhaupt soviel tut in Manhatten, und das ein gutes Beispiel ist, wie sich es hier und vor den eigenen Augen jeden Tag veraendert. Jama Bello, dann, weil es ein so schoener Tag war, noch durch den Central Park.

Liebe Gruesse, Dein Jan

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Berlin, 27.02.99

Lieber Jan,

ein strahlender Sonnentag ohne eine Wolke, sehr warm, frühlingshaft. Leider mußte ich arbeiten und es war schlimm, wie es langsam die Regel ist.

Freue mich auf die Forums-Sempers, denn ich erhoffe mir, durch die Möglichkeit zum Antworten auf einen älteren Brief des anderen den Dialog interessanter werden zu lassen. Seit längerem, hatte ich vor, dir auf alte Sempers noch einmal etwas zu sagen, doch es zeigt sich, daß es beim Vorhaben bleibt ( Brief suchen, lesen, merken, Mailprogramm einschalten,..., man ist bequem geworden ).

Karin war bei einem Feature-Frühstück des Deutschland Radios. Beim SFB gehen allmählich die Lichter aus, das Kulturprogramm, so wie es ist, soll zum August abgeschaltet werden, danach kommt die Zerteilung als "Programmfenster Berlin" im gemeinsamen Verbund mit anderen Sendern ( NDR-Hamburg oder MDR-Leipzig ), kein Wunder, die haben beim SFB seit vielen Jahren den Anschluß verpaßt und sich in ihrem Ruhm gesonnt und sind einfach zu teuer, bei fast nicht meßbaren Einschaltquoten. Und das in einer Zeit, wo keiner mehr Geld hat !

Hab nachmittags geschlafen, morgen nochmal um 05:00 Uhr hin, dann 2 freie Tage.

Hoffe, du hast ein schönes Wochenende, auch ohne Barbara

Dein Harald

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Brooklyn, 27.2.99

Lieber Harald,

wenn ich so in meinem kleinen Zimmer sitze und nicht aus dem Fenster schaue, koennte ich irgentwo auf der Welt sein, in einem kleinen Zimmer, romantisch unter einem Dach, also ganz oben im Haus, und obgleich das Zimmer klein ist, koennte ich in ihm alles unterbringen, was ich im Leben so brauche. Wie damals auf der 2nd Ave. Wo mein Zimmer zwar etwas groesser, aber doch ziemlich klein war. Hier koennte neben dem Regal und dem Schreibtisch noch ein einfaches Bett reinpassen, das waere es dann schon, aber mehr braucht man doch an sich auch nicht. Hoere gerade Beethoven, Sting Quartet Op. 59 No.2 in E minor (so steht es auf der CD Verpackung), und fuehle mich in meinem kleinen Zimmer heute sehr ungarisch. In Budapest, ein paar Gehminuten vom Cafe Gerbeau entfernt, am Florenc Ter. Werde mir sobald ich diesen semper zuende habe mal eine ungarische Webseite anschauen... Mein Wochenende verbringe ich auf der Arbeit. Heute sogar bei strahlendem Sonnenschein. Habe so das Gefuehl, da die Temperaturen heute milder waren, als in den letzten Tagen, das das naechste Wochenende recht warm wird, es ist dann ja schon Anfang Maerz, und die Chancen stehen gut, dass man seine erste Tasse Kaffee im Freien trinken kann. Auf der Holzbank vor Ozzis's z.b., oder hier auf dem Dach. -- Habe mich heute in der Ubahn richtig erschrocken: lese doch zur Zeit den Kaltkriegs Roman, der in Berlin spielt und von dem ich vor ein paar Tagen geschrieben habe: stehe also und lese, dicht an der Bahnsteigkante at der 42nd Street. Da spechte ich aus dem Augengenwinkel jemanden auf mich zukommen, bisschen hecktisch, bisschen zu schnell fuer eine Gruppe von Leuten die auf einem engen Bahnsteig auf einen Zug warten. Ich erschrecke mich also ein bisschen, ruecke von der Bahnsteigkante etwas zurueck, und schau mir die Figur an, von der ich aus meiner Lektuere aufgescheucht wurde: siehe da, ein Mann in DDR Grenzkontrolle Mantel. Frage mich langsam ob ich immer die gleiche Gestallt sehe, oder immermalwieder andere. Ich denke mindestens zwei verschiedene Manteltraeger ausgemacht zu haben, sehe aber jeden Winter mindestens einen: diesmal war es besonders komisch, da "Drum" in meinem Krimi sich gerade aus Ost-Berlin absetzen wollte, und just in dem Moment, wo ich den Mantel im Augenwinkel sehe von einem Vopo angehalten wird. ("Ennnntschuuuuldiiiigung").

Ansonsten war ich heute Abend auf einem Nachtlauf, da ich heute morgen nicht genug Zeit hatte: hier im Stadtteil, immer die Strassen zum Park hin rauf und runter: an den schoensten Haeusern in Park Solpe vorbei: ein Lauf den ich so noch nie unternommen habe, und der sich als gute Alternative dastellt, wenn ich morgens nicht zum laufen gekommen bin...

Viel Verguegen an Deine Freien Tagen!!! Alles Gute, Dein Jan

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Sonnensonntag, 28.02.99

Lieber Jan,

nach Frühdienst nicht geschlafen, sondern sofort raus, mit Karin zum Jolesch gelaufen, Kirschkuchen essen. Es war sehr sonnig und warm, Hunderte von Leuten saßen in den Cafés am Ufer draußen, ein Frühlingstag, man hätte keinen Mantel gebraucht ! Es war sehr schön und aufheiternd.

Hab zuhause am abend an meiner Ausstellung von Indianerportraits weitergebaut, die in der Werkstatt zusammensetze und eigentlich morgen in die BlueGlobe Galerie laden will. Warte noch deinen Semper 28 ab und lade den Januar/Februar dann als eigenen Text in die Edition BlueGlobe. Hab alle sempers nochmal gelesen. Merkwürdig : es scheinen angefangene und doch leider immer wieder abgebrochene Gespräche zu sein... ( das Forum wartet mit einem Testsemper... ).

Hab im Jolesch in einer österreichischen Tageszeitung geblättert ( Anzeiger ), da gab es Bilder aus Galtür, die Lawinen mitten im Dorf, die Häuserwände weggerissen und Autos zu Klump geschlagen haben. Sieht erschreckend aus.

Karin läßt fragen, wo der Thai ist, bei dem wir waren ( PlanEat ), Ubahnstation, etc. Ihr Kollege/Bekannter Stephen aus Brooklyn fliegt demnächst nach New York, in seinem Studio nach dem Rechten sehen und möchte das Lokal gerne besuchen.

Lasse den Abend still ausklingen, die Sonne heut hat mich ruhig und zufrieden gemacht.

Gruß aus dem warmen Berlin

Harald

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Brooklyn, 28.2.1999

Lieber Harald,

heute hat es den ganzen Tag geregnet, erst gegen Abend liess der Regen nach, und ich bin nach einem kurzen Mittagsschlaf (war von 9-15 in der Arbeit) noch in den Park, meine Abschlussrunde im Februar zu drehen: es war sehr nebelig, auf der grossen Wiese waren ungezaehlte Moeven versammelt (die Hundebesitzer alle zuhause, bei so einem Wetter), gute Stimmung, die feuchten blattlosen Staemme der Baeume. CD Friedrich und A Stieglitz haetten sich an dem Anblick gefreut. Meine Runde ist lang genug, so das ich beim Laufen durch neblige und weniger neblige Gebiete kam. Unten am See habe ich die ersten winzigen Blaetter an einem Busch entdeckt. Fruehling? Der gute Thai ist in der Bedford Ave. Die gleichnamige UBahn Station ist auf der L-Line. Wenn man die UBahn verlaesst, und sich ein bischen umschaut, kann man das Restaurant sehen.

1989 haben wir uns 5 mal gesehen: Treffpunkte waren das Yamas, das Weinhaus, und das Cafe Journal. Wir waren 2 mal im Sputnik: Briefe aus Vietnam und Filme von der Filmhochschule Lodz. Mit Karin hatte ich ueberigens Aviyas Sommer gesehen, ein Film ueber den ich seither immer mal wieder nachdachte. -- Der Geldautomat war damals scheinbar eine recht neue Einrichtung. Morgen ueberigens (1.3. Mittwoch) unternehmen wir einen langen naechtlichen Spaziergang von Morbit zur Witzlebenstrasse.

Liebe Gruesse, Dein Jan

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